Mittwoch, 31. Dezember 2014

Träume


Träume sind Spiegelung unbewusster Fantasien.
Das Unbewusste teilt sich durch Träume, Visionen oder in Meditationen bildhaft mit. Spontane Deutungen solcher Mitteilungen durch Eingebungen der Vernunft beziehen sich wie lautlose Verlautbarungen der inneren Stimme gewöhnlich auf anliegende oder gerade zurückliegende Vorhaben. In der Regel sind es vorwiegend kritische Empfehlungen, Aufforderun­gen oder Anfragen.
Diese Äußerungen werden als teils rational, teils emotional gedeutete Impulse von Antrieben, Bedürfnissen oder Wünschen bewusst. Dieses vage Bewusstwerden erschwert das klare Verstehen von Einflüssen des Unbewussten. Das führt allzu leicht zur Verdrängung innerer Anregungen. Träume sagen uns bisweilen, was wir nicht auszu­­­­sprechen wagen. Gewöhnlich sind das, wovon wir insgeheim träumen, positive Utopien. Gewöhnlich mutet uns unsere Seele nichts zu, was unser Kräfte übersteigt.
Traum ist aber auch jener Bewusstseinsgrad, welcher Einflüsse von Erfahrungen und Gewohn­heiten so weit hemmt, dass Raum für Neues frei wird.
Träumen kann in Tagträumen oder gar in Denken übergehen.
Wer denkt, dass er denkt, denkt nur, dass er denkt. Wer denkt, vernimmt (träumt) nur, was ihm das Unbewusste mitteilt.
Unser Unterbewusstsein offenbart sich uns nicht. Es schützt sich vor dem Verstand.
Mit der Logik des Verstandes kann man zwar Beweise führen, aber keine Erkenntnisse gewinnen.
Wir haben keine Ahnung, wer zu uns spricht, wenn wir schreiben.
Wir erfahren nur , dass wir Einfälle notieren müssen, um sie nicht gleich wieder zu vergessen.
Wir nennen Intuition, was uns das Unbewusste
eingibt.
Wollen wir uns aber sein Wesen erschließen, dann verweigert es die Aussage.
Wir glauben der inneren Stimme. Wir vertrauen darauf, dass sie uns Wahres eröffnet.

Nur Weniges von dem, was uns das Unbewusste offenbart, vermag unser Verstand zu erfassen. Und das, was er erfasst, verunreinigt er, weil voreingenommen.
Nicht einmal die Wahrheit über uns selbst dürfen wir ungefärbt erfahren; meistens ist sie schön­gefärbt.
Die ‚Befangenheit' des Verstandes ist eine Folge der Enge unseres Bewusstseins, d.i. das begrenzte Fassungsvermögen unseres Kurz­zeit­gedächtnisses.

Der Verstand vermag nicht alles zu erfassen, weder was von außen, noch was von innen auf ihn eindringt. So filtert er zu unseren Gunsten.


Dienstag, 30. Dezember 2014

Gedanke


Vermutlich überfällt den Menschen der erste Gedanke in dem Augenblick, in dem er das Licht der Welt erblickt. Und er drückt diesen seinen ersten Gedanken in seinem Schrei aus. Der erste Gedanke besteht wohl im ersten Erblicken der anderen Welt. Aber das ist Spekulation. Der erste Gedanke könnte sich genau so gut schon mit der ersten Empfindung im Mutterleib gebildet haben.

Tatsache ist, dass sich niemand von uns an seinen ersten Gedanken erinnern kann. Wir bekommen auch die Entwicklung des Denkens nicht mit. Unversehens finden wir uns eines Tages denkend vor, ohne dass uns irgend jemand erklärt hätte, was da mit uns geschieht, wenn wir denken.

Irgendwann haben wir irgendwo das Wort „Denken“ aufgeschnappt, und wir entdecken eines Tages, dass genau in und mit uns geschieht, was dieses Wort meint. Wir spüren geradezu diese Bedeutung.


Wenn das Kind gesagt bekommt: "Jetzt iss endlich auf!“, dann weiß es, was verlangt wird. Wenn Kinder aber gefragt werden „Wo bist du nur wieder mit Deinen Gedanken?“, dann können sie nur ahnen, was gemeint ist.


Von den vielen Situationen her, in denen von Denken gesprochen wird, erschließen wir uns die Bedeutung dieses Wortes. Aber diese eigenständige Ermittlung führt nicht dazu, spontan erklären zu können, was genau mit „Denken“ gemeint ist.


Beobachtet man also Situationen, in denen Leute sagen, dass sie denken, dann geht es gewöhnlich darum, dass sie etwas zu erklären versuchen, nach Worten suchen oder überlegen, wie etwas gemacht werden soll.
Denken wird demnach als jener Vorgang ange­nom­­men, durch welchen sich Bewusstwerden organisiert. Gedanke ist demzufolge ein Moment der Bewusstseinsorganisation. Solche Momente sind körperlich, seelisch, geistig multiphren  glaub­würdig.
Strittig wird der Wahrheitsgehalt eines Gedankens dann, wenn sich Körper, Seele und Geist nicht mehr im Gleichgewicht befinden. Wahre Gedanken sind Zeugnisse harmonischer Be­wusst­­­seinsmomente.

Montag, 29. Dezember 2014

Glaubwürdigkeit


Dass fantasievermittelte Erscheinungen  zu einer Frage der  Glaubwürdigkeit werden, ist insofern sehr merkwürdig, als uns unser  Wahrnehmen nur durch Improvisieren der Fantasie bewusst wird.
Konsequenterweise müssten wir also alle unsere Wahrnehmungen in Frage stellen. Aber uns wird nicht bewusst, dass wir fantasieren bzw. uns gemäß (um-) gestalten, bevor wir wahrnehmen.
Was veranlasst uns also, Wahrnehmen entweder zu vertrauen oder zu misstrauen? Es sind unterschiedliche Bilder, die diese Frage beant­worten.
Weniger vertrauenswürdige Wahrnehmungen werden als gespürte Abbildungen von Erinnerun­gen erfahren. Vertrauenswürdigere Wahrnehmun­gen werden dagegen als erfahrene Sinnesein­drücke bewusst.
Wir glauben, dass Sinneseindrücke weniger fan­tasie­­­­voll sind als gefühlvolle Erinnerungen. Wer oder was entscheidet aber, wie glaubwürdig uns Inhalte des Bewusstseins erscheinen sollen.
Es ist das Unbewusste, das limbische Impulse Bewusstwerden vorbewusst günstig oder ungün­stig beeinflussen lässt.
Bisweilen bekommen wir dergleichen mit, wenn wir ahnen, dass etwas, das wir tun schiefgehen oder erfolgreich sein wird.
Da wir uns aber Vorgänge des limbischen Systems nicht bewusst werden, vermögen wir diese auch nicht zu reflektieren. Ursachen und Gründe von Glaubwürdigkeit scheinen somit vor uns verborgen zu bleiben.

Sonntag, 28. Dezember 2014

Fantasie als Vermittlerin


Fantasierend vermögen wir innere Wahrnehmun­gen als Innenbilder zu gestalten, um diese dann betrachten, beobachten und begreifen zu können.
Fantasie versetzt uns in die Lage, dem zuzuschauen, was in uns geschieht. Künst­lerische Menschen setzen inneres Geschehen ins Werk, wenn sie schaffen. Bei Imaginationen oder gar Visionen geschieht Vergleichbares.
Nicht immer inszeniert Fantasie das, was sie empfängt in Bildern. Fantasie vermag auch in Empfindungen zu gestalten. Aber die meisten haben dann Probleme, dem zu glauben, was sie empfinden.
Sehr häufig treten solche Erscheinungen bei Trauernden auf, wenn sie glauben, die Anwesenheit des Verstorbenen zu spüren. Statt sich auf dieses Gefühl einzulassen, zweifeln sie und tun es als Einbildung ab.
Damit nehmen sie dem Verstorbenen, die Gelegenheit, sich über die innere Stimme mitzuteilen, um einen Dialog mit dem Trauernden zu beginnen.
Es gibt manche wundersame Ereignisse während eines Tages, die allzu leicht als Hirngespinste abgetan werden.
Wider derartige Zweifel sollte unbedingt beachtet werden, dass das eigene Gefühl Wahrheiten offenbart, obgleich wir diese nicht verstehen (wollen).
Entsprechende Sensibilität vorausgesetzt, können aber Täuschungen von Wahrheiten unterschieden werden.
Angenommen, eine Frau spürt die Anwesenheit ihres verstorbenen Mannes und zweifelt an ihrem Gespür. Sie kann ihrem Zweifel entgegenwirken, wenn sie „schweigend“ mit ihm einen (inneren) Dialog beginnt. Dabei sollte sie dann auch nicht scheuen, ihn um ein Zeichen für die Echtheit seiner Anwesenheit zu bitten.

Samstag, 27. Dezember 2014

Wer oder was schenkt Eingebungen?

Im Gegensatz zur Religion, Philosophie, Lyrik, Poesie, Musik oder Tanz kommt Intuition nicht zu Wort. Man spricht von einem Einfall und sagt zwar, dass diese Eingebung Intuition gewesen sei, aber man verschweigt, was darunter zu verstehen ist.
 

Ich gebe zu, dass es mir genau so ergeht. Ich schreibe wie selbstverständlich diese Sätze auf. Ich vermag jedoch nicht zu beschreiben, wie sie eigentlich entstehen. Natürlich bin ich wie die meisten versucht, zu sagen: „Sie fallen mir einfach ein!“ Aber das erklärt genau nichts.

Das macht mich unzufrieden, und ich spüre, wie diese Unzufriedenheit mich antreibt, den Grund zu schreiben aufzuspüren. Ich vermute daher erst einmal, dass es vielleicht meine Befindlichkeit sein könnte, die das Schreiben anregt.

Im Augenblick schreibe ich ja, um das Unbehagen loszuwerden. Ich stocke, wahrscheinlich, weil tief nachts alles schleppender vorangeht als früh morgens, eine Zeit, zu der ich bevorzugt arbeite. Zudem fallen die meisten von den Texten, die ich mir nachts mühsamer erarbeite, bereits früh morgens durch.
 

Auch das ist typisch für die Nacht, dass ich das von mir schreibe. Ich sehe mich schon, wie ich das morgen wieder verwerfe, um dann erneut zu erfahren, dass ich dadurch alle näheren Texte der augenblicklichen Schreibumgebung überkritisch bedrohe, um sie dann letztendlich doch zu löschen.

Früher, an der Schreibmaschine, gab es viel mehr Schreibhemmungen, um zu vermeiden, dass erst Texte entstehen, die dann doch im Papierkorb landen.

Aber mir fällt ein, dass ich schon damals oft am folgenden Tag Texte zerrissen habe, die nachts entstanden waren. Und da ich vor Jahren lieber nachts als am Tag geschrieben habe, füllte sich der Papierkorb in jener Zeit ziemlich schnell.

Noch etwas war vor vielen Jahren ganz anders. Ich habe nicht freiwillig geschrieben, sondern aus Verpflichtung, weil ich mich qualifizieren wollte oder besser musste. Schließlich wollte ich mich so schnell wie irgend möglich beruflich qualifizieren, um davon möglichst gut und ungebunden leben zu können. Von klein auf hasse ich nämlich jede Form von Abhängigkeit.

Immerhin förderte nun diese Art und Weise der Rückbesinnung einen Beweggrund für mein Schreiben zutage. Es ist eine Art Selbst­verpflichtung aus einem existentiellen Bedürfnis oder Selbsterhaltungstrieb heraus.

Freitag, 26. Dezember 2014

Gen Himmel

Himmel ist Allgegenwart des Schöpferischen, seelisch als Intuition der Seele, körperlich als sinnliche Erfahrung der Natur und geistig als ideenhaftes Schauen des Geistes.

Mystisches Erleben aber bedeutet seelisches, körperliches, geistiges Erfahren in eins zugleich.

Dem Himmel begegnen bedeutet demzufolge philosophisch sich auf das eigene endliche Dasein als Moment des endlichen Seins einlassen.

Der Weg dorthin führt über die Kehre des Denkens oder als Umwendung des Denkens in Spüren, Empfinden, Fühlen.

Mir scheint es, das gesuchte innere Geschehen namens Denken entzieht sich so jeglicher,  begrifflichen Bestimmung. So setzte ich Denken mit jenem gefühlten Fühlen gleich, welches auch Intuition genannt wird.


Mir ist dabei völlig klar, dass diese vorläufige Beschreibung jene verärgern muss, welche sich als Mathematiker oder Naturwissenschaftler betrachten. Dennoch Denken bleibt vorwiegend ein Schöpfungsprozess.
 

Mathematiker und Naturwissenschaftler aber denken nicht wie der Philosoph Martin Heidegger höchst provozierend bemerkt, sondern rechnen. Wissenschaften modellieren, kalkülisieren, mathematisieren und prognostizieren, aber in aller Regel verlassen sie sich - bis auf geniale Ausnahmen wie Einstein - nicht auf das Empfinden ihrer Gefühle.


Auf den Punkt gebracht:


- Religion glaubt,

- Kunst denkt,

- Wissenschaft rechnet.
 

Mir ist klar, dass Denken als Spüren eigenen Fühlens  noch ziemlich unscharf ist.

Wer ein Gedicht oder auch einen Roman schreibt, dem wird das, was er aufschreiben soll, gleichsam von der Tiefe des Unbewussten gegeben. Diese künstlerische Gabe oder Begabung schenkt der Vorstellungskraft künstlerisch Schaffender Bilder, die sich beschreiben lassen. Bilder schenken Bedeutungen jenen Worten, welche dann poetisch oder lyrisch gesetzt werden.


Eingebungen gelangen meistens nicht unmittelbar zu Papier. Die eingegebenen Bilder werden vom Künstler oder der Künstlerin gedeutet. Der Sinn des Unbewussten erhält den Eigensinn der Schaffenden. Das Umdeuten der Eingebung durch künstlerisches Gestalten formt den Sinn eines Gedichts oder eines Romans.

Das Spielen und Inszenieren des Unbewussten mit Fantasien des empfangenden, sensibel empfindenden Bewusstwerdens gelangt nunmehr als Denken zum Vorschein. Als Spielen und Gestalten des Unbewussten formt Fantasieren jenes Gestalten, welches sich dann künstlerisch ins Werk setzen lässt.
Als Empfinden des Fühlens wird Denken nunmehr als Atmen der Seele spürbar.

Donnerstag, 25. Dezember 2014

Wo liegt der Himmel?

Als Himmel ist Fantasie Widerschein tiefen Glaubens. Glauben ist  künstlerischer Vorschein seelischer Bedürfnisse.

Als unstetes, vernunftbegabtes Wesen ist der Mensch ständig unterwegs zu sich selbst. Er glaubt, sobald sich das Ich im Selbst vorfindet, das Glück gefunden zu haben.


Aber so angestrengt er auch dem Schatten des schönen Scheins nacheifert, so wird er doch niemals schnell genug sein, um ihn einzufangen.
 

Wann nur wird der Mensch weise genug sein, das Selbst als Abschattung seines Ichs zu schauen? Solange ihm das misslingt, gefährdet er sich durch Überhöhen seines Ichs.


Der Schöpfer begabt ihn mit Widersprüchlichkeit zwischen Gefühl und Geist. Im Schein dieses Irrlichts tasten sich bereits die ersten Menschen durch ihr Paradies. Obgleich daraus vertrieben, hören sie niemals auf zu hoffen, dieses eines Tages wieder zu finden.
 
Unaufhörlich lockt die Fantasie mit dieser Utopie. Ständig beständig gelobt sie der Vernunft das Vermögen, den Schleier des Geheimnisses lüften zu dürfen. Und die Fantasie, diese Närrin, setzt dafür sogar das Leben der Vernunft auf’s Spiel, indem sie die Hoffnung nährt, ihren Himmel spätestens im Tod zu entdecken.

Aber Fantasien versickern allmählich und Träume der Kindheit verlieren sich. Die alternde Vernunft voller widersprüchlicher Erfahrungen traut Fantasien nicht mehr. Sie hofft nicht mehr auf das, was da kommen soll, während sich das Leben entzieht. Sterben erscheint der Vernunft nunmehr zu spät, um Wesentliches über das Leben zu erfahren.

So erkundigt sie sich ungeduldig bei den Möglichkeiten des Verstandes nach dem, was ihr als Himmel utopisch erscheint.

Aber der Verstand verneint die Ortlosigkeit des Himmels, indem er auf das mystische Erleben der Allgegenwart der Natur als Schöpfung eines für die menschliche Vernunft nicht mehr denkbaren Geistes verweist.

Himmel ist überall – im Leben. Alles Lebendige zeugt von jenem schöpferischen Geist, welcher es seit jeher als Möglichkeit bereithielt.

Sterben


Sterben heißt alles loslassen,

alles Lieben und Hassen.

Rechtzeitig im Leben

gegen allen Widerstand vergeben.

Gehen muss jeder allein,

aber er muss dabei nicht einsam sein.

Er braucht nicht zu verzagen,

wenn er von Liebe getragen!


Das vernunftbegabte Wesen entdeckt Philosophie als dichterische Form, aus Werden Sein zu gestalten. Während Religion menschliche Existenz dem Dasein entrückt, sollen sich Philosophen des Daseins versichern.


Unausgesprochen geht es darum, menschliche Grundängste vor dem Tod zu überwinden. Religionen versuchen das durch das Versprechen, Sterben als ein Hinübergehen oder Heimkehr ins Paradies erleben zu lassen.


Die Philosophie will den Menschen davon befreien, solchen Versprechen glauben zu müssen. Er soll sich  dessen vergewissern, wovon Glauben  überzeugen soll.


Tatsächlich gelingt es der Philosophie vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden die Mythologie zu überwinden und von der Herrschaft der Götter zu befreien.

Das gelingt der Philosophie, indem sie die religiöse Grundidee als Metaphysik des Seins übernimmt. Nicht mehr die ferne unsichtbare Gottheit im Himmel soll dem Menschen gebieten, sondern das unmittelbar gegenwärtige Wesen der Natur soll sich dem Menschen als Spiegelung des Göttlichen offenbaren.


Erfahrungen mit Leidenschaften des Religiösen lehren, dass besonders Begehrenswertes nicht ohne Opfer zu haben ist. Asketisches Leben in der Abgeschiedenheit eines Klosters oder einer Einsiedelei, soll zähes, hartnäckigstes Ringen um das nur im tiefen Glauben zu Schauende endlich belohnen.


So leuchtet es unmittelbar ein, wenn Philosophen von Anfang an klarstellen, dass Wissen nicht weniger mühsam erworben werden kann als Glauben. Wie Askese eine lange Zeit des Einübens und Eingewöhnens braucht, so bedarf auch Philosophieren zunächst des Erwerbs grundlegender Methoden des Denkens.


Glauben und Wissen sind mühsame Wege der Entdeckung, Abenteuer, durchaus mit dem hohen Risiko behaftet, das Gesuchte niemals zu finden.

Philosophen versprechen durchaus nicht weniger als Propheten. Philosophie gilt wie Religion als Vorbereitung auf das Sterben. Und der Philosoph erwartet denkend das zu erblicken, was sich der Mystiker tief glaubend zu schauen erhofft. Es geht darum, jene Grenze zu überwinden, welche die Seele überschreitet, wenn sie den Körper als ihr Haus verlässt.


Religion wie Philosophie konstatieren „Sein“ als Bedingung ihrer Möglichkeit zu glauben oder zu philosophieren.

Mehr als zweieinhalb Jahrtausende hüten Religion und Philosophie „Sein“ als ihren geheimnisvollen zureichenden Grund und halten so die Trennung von Glauben und Wissen aufrecht.


Letztlich geht diese Trennung aber auf Kosten des gemeinsamen Urgrundes von Glauben und Wissen. Als verschiedene Arten und Weisen zu denken entstehen Glauben und Wissen aus Denken als Bilderleben. „Bilderleben“ meint die Duplizität von Bilder-Leben der Fantasie und Bild-Erleben sowohl der Seele als auch des Geistes.


Denken als Bilderleben verdeutlicht, dass sowohl Glauben als auch Wissen die Fantasie als Ursprung vernachlässigen. Warum Fantasie als gemeinsamer Ursprung von Glauben und Wissen seit jeher tabuisiert wird, lässt sich nur vermuten.

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Tod



Nach Auffassung vieler Mythen und Religionen ist der Tod jener Zeitpunkt, zu welchem die Seele ihr Haus verlässt, um nach Hause zurück zu kehren.

Leben wird als vorübergehender Aufenthalt der Seele betrachtet.
Diese Betrachtungsweise seines Lehrers stellt Platon in der Apologie dar. Sokrates erläutert seine Auffassung in seiner Verteidigungsrede nach seiner Verurteilung zum Tod durch den Schierlingsbecher:

"Lasst uns aber auch so erwägen, wieviel Ursache wir haben zu hoffen, es sei etwas Gutes. Denn eins von beiden ist das Totsein: entweder so viel als nichts sein noch irgend eine Empfindung von irgend etwas haben, wenn man tot ist; oder, wie auch gesagt wird, es ist eine Versetzung und Umzug der Seele von hinnen an einen andern Ort. Und es ist nun gar keine Empfindung, sondern wie ein Schlaf, in welchem der Schlafende auch nicht einmal einen Traum hat, so wäre der Tod ein wunderbarer Gewinn. Denn ich glaube, wenn jemand einer solchen Nacht, in welcher er so fest geschlafen, dass er nicht einmal einen Traum gehabt, alle übrigen Tage und Nächte seines Lebens gegenüberstellen und nach reiflicher Überlegung sagen sollte, wie viel er wohl angenehmere und bessere Tage und Nächte als jene Nacht in seinem Leben gelebt hat, so glaube ich, würde nicht nur ein gewöhnlicher Mensch, sondern der Großkönig selbst finden, dass diese sehr leicht zu zählen sind gegen die übrigen Tage und Nächte.

Wenn also der Tod etwas solches ist, so nenne ich ihn einen Gewinn, denn die ganze Zeit scheint ja auch nicht länger auf diese Art als eine Nacht. Ist aber der Tod wiederum wie eine Auswanderung von hinnen an einen andern Ort, und ist das wahr, was gesagt wird, dass dort alle Verstorbenen sind, was für ein größeres Gut könnte es wohl geben als dieses, ihr Richter? Denn wenn einer, in der Unterwelt angelangt, nun dieser sich so nennenden Richter entledigt, dort die wahren Richter antrifft, von denen auch gesagt wird, dass sie dort Recht sprechen, den Minos und Rhadamanthys und Aiakos und Triptolemos, und welche Halbgötter sonst gerecht gewesen sind in ihrem Leben, wäre das wohl eine schlechte Umwanderung? Oder auch mit dem Orpheus umzugehen und mit Musaios und Hesiodos und Homeros, wie teuer möchtet ihr das wohl erkaufen?
 

Ich wenigstens will gern oftmals sterben, wenn dies wahr ist. Ja, mir zumal wäre es ein herrliches Leben, wenn ich dort den Palamedes und Aias, des Telamon Sohn, anträfe, und wer sonst noch unter den Alten eines ungerechten Gerichtes wegen gestorben ist: mit dessen Geschick das meinige zu vergleichen, das müsste, glaube ich, gar nicht unerfreulich sein. Ja, was das Größte ist, die dort eben so ausfragend und ausforschend zu leben, wer unter ihnen weise ist, und wer es zwar glaubt, es aber nicht ist. Für wie viel, ihr Richter, möchte das einer wohl annehmen, den, welcher das große Heer nach Troia führte, auszufragen, oder den Odysseus oder Sisyphos, und viele andere könnte einer nennen, Männer und Frauen: mit welchen dort zu sprechen und umzugehen und sie auszuforschen auf alle Weise eine unbeschreibliche Glückseligkeit wäre! Gewiss werden sie einen dort um deswillen doch wohl nicht hinrichten. Denn nicht nur sonst ist man dort glückseliger als hier, sondern auch die übrige Zeit unsterblich, wenn das wahr ist, was gesagt wird.“


Dienstag, 23. Dezember 2014

Totzeit



Augenblick ist das subjektive Zeitquant von höchstens drei Sekunden, die wir für eine Wahrnehmung oder einen Gedanken verwenden. Danach wenden wir entweder unsere Aufmerksamkeit einer anderen Wahrnehmung zu oder lenken unsere Konzentration auf einen anderen Gedanken. Sätze, deren Aufnahme mehr als drei Sekunden benötigt, werden nicht vollständig aufgenommen, sondern überlesen.
Folglich gilt es, sich dementsprechend kurz zu fassen. Eine Aufforderung, der besonders ich, der zu langatmigen Sätzen neigt, nachkommen muss.
Augenblicke verkürzen sich, wenn Aufmerksamkeit oder Konzentration zunehmen. Sekunden der Gefahr werden als sehr viel länger empfunden als  Sekunden großer Freude.
Wenn wir etwas erwarten dehnt sich die Zeit. Beschäftigen wir uns dagegen mit etwas, das uns  sehr interessiert, dann schrumpft sie.
Gefühlte und tatsächliche Dauer nähern sich um so mehr, je geübter wir in dem sind, was wir tun.
In jenem Augenblick, welchen wir Tod nennen, erreichen wir die größte Zeitdehnung bei hoch sensibler Bewusstseinsorganisation. Während des Sterbens steigt der Energiebedarf des Gehirns so hoch, dass Licht erzeugt wird. Der Augenblick des Sterbens erzeugt gleichsam einen Lichttunnel, durch den wir das Diesseits verlassen, um ins Jenseits zu wechseln. Der Augenblick dieses Wechsels, in dem endliches Leben in Unendlichkeit übergeht, heißt „Totzeit“. (1968)

Montag, 22. Dezember 2014

Mystische Ereignisse

Mystische Ereignisse sind natürlicherweise (wesentlich) wahr. Es ist daher müßig zu fragen, ob die vom Trauernden empfundene Anwesenheit eine Verstorbenen sich tatsächlich so ereignet oder nicht.
So merkwürdig das für meditativ Unerfahrene zunächst klingt, künstlerisch abstrakte Räume finden sich jederzeit allenorts in der Natur. So kann ein Spaziergang in der Natur mystisch ebenfalls sehr hilfreich sein bzw. helfend wirken.
Verstorbene erscheinen den um sie tief Trauernden weniger konkret als vielmehr „abstrakt“ als Gefühl. Dieses Gefühl kann so intensiv sein, dass unmittelbare Anwesenheit Verstorbener empfunden wird.
Künstlerisch abstrakte Innenräume scheinen durch die Architektur in Klöstern beschaulicher Orden auf besondere Weise hervor, also genau dort, wo zugleich Mystik zu Hause ist.
Mystisch ist Schauen der Seele und nicht geistiges Wahrnehmen. Wenn die Seele „Liebe“ schaut, vermag geistige Wahrnehmung das allenfalls künstlerisch ideenhaft ausdrücken. Ein Liebesgedicht flüstert die innere Stimme der Seele der Künstler ins innere Ohr. Der Geist vermag oft nicht auszudrücken, was die Seele zu sagen vermag.

Nähe des Geliebten


Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer

Vom Meere strahlt;

Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer
In Quellen malt.

Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege

Der Staub sich hebt;

In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege

Der Wanderer bebt.

Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen

Die Welle steigt.
Im stillen Haine geh ich oft zu lauschen,

Wenn alles schweigt.

Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne,

Du bist mir nah!

Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne

O wärst du da!
 
 
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Religiöse Mystiker vergegenwärtigen sich katathyme Eingebungen durch immer-währendes Beten.

Sonntag, 21. Dezember 2014

Nähe des Schutzgeistes


Einsichten in Augenblicke des Schutzgeistes ereignen sich selbst als Augenblick (1 bis 3 Sekunden). Subjektiv wird diese Einsicht zugleich als Blitzaufladung erfahren. Philosophieren vermag dazu verhelfen, solche Einsichten vorzubereiten. Wie wir bereits von der Abstraktion her annehmen können, müssen solche Vorbereitungen aus geeigneten Abstrakta bestehen. Diese Abstrakta dürfen das subjektive Zeitquant von etwa drei Sekunden nicht übersteigen. 

Übungen der Annäherung sind sprachliche Verdichtungen wie das inhaltliche Verknüpfen von kurzen Sätzen wie z.B.
 

A) „Duplizität“ meint Einheit des Gegensätzlichen. „Gegensätzlich“ ist Negatives zu Positivem. „Negatives“ bedeutet Verneinung charakteristischer Merkmale.
 

B)  Veranschaulichen von A) durch Beispiele: „Hitze und Kälte“ gefährden die Gesundheit. Bei „Hitze“ direkte Sonneneinstrahlung meiden, bei „Kälte“ Schutzkleidung tragen. Schnelle „Atome“: Mehr Wärme. Langsame „Atome“: Weniger Wärme. Bei etwa -275 Grad Celsius bewegen sich die Atome nicht mehr, Hitze kennt keinen Grenzwert.

Versuchen Sie täglich A) eine Konnexion aus drei Sätzen, B) Veranschaulichung dieser Sätze.
Alternativ hilft das Einprägen (!) mystischer Poesie.

 Mystische Texte von Urs:


Kosmos des Wir

das Eine so stark
wie das Andere

ein jedes fühlt sich

gespiegelt
einzigartig

das Wir atmet

grenzfreier Raum
des Lichts


Magie des Blicks

Anziehung

Seele Herz Gefühl

Gespür leitet
hin zu

das Einzigartige
in mir
erkennt das Gleiche
im Wir 


Sinn


wir leben

wir erleben einander

das Gemeinsame
trägt
soweit das Wir reicht

Samstag, 20. Dezember 2014

Kind werden

Kindlich spielerisches Verhalten ist flexibel und spontan. Kindliches Verhalten organisiert sich aus dem Augenblick heraus. Kindliches Verhalten unterscheidet sich nicht vom intuitiv schöpferischen Verhalten.


Alte, sehr erfolgreiche Künstler oder Philosophen behaupten nicht selten von sich, dass sie Kind geblieben sind. Was sie so beweglich hält, das ist vor allem eine hoch empfindliche Organisation ihres Kurzzeitgedächtnisses.


Wenn der Schutzgeist nicht allein Kinder begleiten soll, dann müssen Erwachsene sich so weit sensibilisieren, dass sie ihn überhaupt wahr nehmen können. Das bedeutet vor allem, den Kurzspeicher des Gedächtnisses zu erhöhen, um das Bewusstwerden zu beschleunigen bzw. zu verkürzen. In der Praxis geschieht das durch Beschleunigen neuronaler Transmissionen, und zwar durch neurosystemisches Üben des Gedächtnisses.

Um das zu erklären, sei „langatmiges“ Vorgehen eines sinnierenden Philosophen und das „kurzatmige“ Wortfindung eines komponierenden Künstlers verglichen.
Philosophen verbrauchen mehr Text als Dichter. Das liegt gleichsam an der „Haft-fähigkeit“ des Gedächtnisses.
Komprimierte Gedanken eines Gedichts sind neuronal sehr viel anfälliger und somit flüchtiger als komplexes philosophisches Denken. Das wird sogar durch unterschiedliche Satzlängen sinnlich vernehmbar.

Der philosophische Gedanke verbraucht sehr viel mehr Text als der dichterische. Je mehr Text aber verbraucht wird, um so weniger Bilder erzeugt die Fantasie und umgekehrt: je weniger Text, um so mehr Bilder!

Um zu provozieren, könnte man philosophische Aussagen wie den Satz der Identität „a = a“ oder die metaphysiche Setzung „Wesen ist das Sein des Seienden.“ nennen. Diese Kurzfassungen erscheinen sehr abstrakt und offensichtlich bilderarm. Genau das aber trifft nicht zu. „Sein des Seienden“ gehört zu den bilderreichsten Ausdrücken, über die wir verfügen, denn dieser umfasst alle Möglichkeiten der Anschauung schlechthin.

Dichtung und Metaphysik begegnen sich anschaulich im Raum hoher Abstraktion. Entsprechendes geschieht vergleichsweise in den Werken abstrakter Kunst.
Hieraus lässt sich wahrscheinlich folgern, dass man dem Schutzgeist am ehesten in künstlerisch abstrakten Innenräumen der Seele begegnen kann.


Freitag, 19. Dezember 2014

Ur-Instinkt (basic instinct)


Natürlicherweise ergeben sich meine Darstellungen aus eigenen Erfahrungen. Als akademischer Lehrer habe ich bemüht, vor allem den Spuren Sokrates' und Platon's zu folgen. Beeinflusst durch die Metaphysiker Martin Heidegger und Karl-Heinz Volkmann-Schluck betrachte ich mystisch metaphysisches Denken des Seins als Offenbaren jenes Wesentlichen, welches meine Existenz maßgeblich bestimmt.
In noch so schwierigen unterrichtlichen Situationen konnte ich mich jederzeit allenorts auf helfende Eingebungen verlassen.
Ich war immer der Auffassung, das sich die Quelle der Eingebungen bei jedem erschließen lassen, vorausgesetzt, er wählt einen ihm entsprechenden Weg.
Das, was Platon “idein” nennt, bedeutet für mich “basic instinct”, ein Urtrieb, der jedem Menschen von Natur aus gegeben ist. “basic instinct” ist eine Art katathymer Erkenntnis- oder Überlebenstrieb.
Katathym (gr. thymos Gemüt) ist die Wirkung einer (verdrängten) Affektion auf die Seele. Als basic instinct wird der Urtrieb zwar extern intuitiv ausgelöst, aber aktiviert dennoch den rein inneren Vorgang. Ein von außen her berührtes Gefühl bewirkt als das Schauen des existentiell Wesentlichen. Durch den Ur-Instinkt berühren sich folgliche physische und metaphysische Welten. Demnach ist basic instinct also Bedingung der Möglichkeit un- bzw. übersinnlicher Erfahrung.
Allerdings ermöglicht meiner Erfahrung nach der Ur-Instinkt keine Vision, die eine nähere Beschreibung übersinnlichen Schauens ermöglichen würde. Vielmehr bleibt es bei der Initiation unmittelbaren bzw. spontanen Handelns. “Ich erfahre unmittelbar intuitiv, was im Augenblick zu tun ist und handle danach!” Ich habe das in keiner Situation pädagogischer oder auch politischer Praxis anders erlebt.
Wider alle Erwartungen lässt sich aber der basic instint bei anderen didaktisch kaum reaktivieren. Der bei Kindern noch verfügbare Ur-Instinkt erscheint bei wenig engagierten Erwachsenen kaum mehr lehrbar. Engagierten Erwachsenen dagegen gelingt das Reaktivieren allenfalls aufgrund vorbildlich überzeugender Erfolge der Kinder.
Vielleicht ist das mit der Aufforderung bei Matthäus gemeint: “Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder...”

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Schutzgeist

Platon beobachtet bei seinem Lehrer Sokrates, dass das Reaktivieren dieses Sinns ein Vertiefen des Wahrnehmens derart ermöglicht, dass metaphysische Ereignisse hervorscheinen. So erfährt Sokrates das Idein so, als ob ihn ein Schutzgeist begleitet. Aber dieser Schutzgeist begleitet ihn nicht nur, sondern berät ihn auch in heiklen Situationen.
In der Tat wird in der Geschichte der Philosophie das Phänomen der inneren Stimme zum ersten Mal von Sokrates beschrieben. Sokrates nennt sie ‘daimonion’. Das bedeutet Wesen und Wirkung des Göttlichen.
Nach Sokrates Auffassung wird jedem Menschen von Geburt an ein göttlicher Schutzgeist mit auf den Weg gegeben, der ihn vor Unheil bewahrt. Das erinnert an Schutzengel, deren Fest jedes Jahr am 2. Oktober gefeiert wird. Dieses christliche Fest erinnert an das Wirken der Schutzengel, welche die Menschen wie die „Dämonen“ des Sokrates in ihrem Leben begleiten und vor Schaden bewahren.
Erst wenn der Mensch diesen Schutzgeist vernachlässigt und damit den Unwillen der Götter erregt, wird das Dämonische in ihm zur Verblendung und Besessenheit.
Das sokratische Daimonion hat eine Stimme und stellt sich schützend vor die ihm Anvertrauten. Für Sokrates ist das ein klar erkennbares Faktum. Es ist so selbst-verständlich anwesend, dass dies nicht erst diskutiert zu werden braucht. Das Daimonion berät zwar, aber es trägt nicht zum Erkennen bei. Das Daimonion ist streng getrennt vom Verstand, es sagt das, was der Verstand nicht erkennen kann. Es ist nicht das sittliche Gewissen. Was Sokrates zu tun hat und was nicht, sagt ihm sein Verstand. Das Daimonion bedeutet die Stimme, die ihn warnt, sobald er gegen seine Intuition handelt.
Innere Wahrnehmungen, die sich übersinnlich gestalten und wirkliches Anwesen von hilfreichen Wesen spüren und empfinden lassen, gelten nicht als Fantasmata (eine Art Wahnvorstellungen), sondern als wirklich existierend.
Der griechische Schriftsteller Plutarch (45-120) hat das sokratische Daimonion ausführlich erörtert. Hinweise auf die Existenz eines Daimonion finden sich auch in den Schriften der römischen Autoren Seneca (4-55 n. Chr.) und Marc Aurel (121-180 n. Chr.). Augustinus deutet das Daimonion als Gewissen und legt die innere Stimme als Stimme Gottes aus. Thomas von Aquin deutet es sogar als Erkenntnisorgan der praktischen Vernunft.
Die innere Stimme gilt je nach Ansicht den einen als Stimme der Seele, anderen als Sprache der Vernunft und wieder anderen als Ausdruck des Gewissens oder als Zuspruch des Geistes oder auch Stimme des Herzens. Mahatma Gandhi nennt die leise innere Stimme den einzigen Tyrann, den er in dieser Welt anerkennt.“ (Ausgewählte Texte, Richard Attenborough (Hrsg.))
Du hast deine Kindheit vergessen, aus den Tiefen deiner Seele wirbt sie um dich. Sie wird dich so lange leiden machen, bis du sie erhörst.“
(Ausgewählte Texte, Richard Attenborough (Hrsg.)
Und Friedrich Nietzsche sagt zur inneren Stimme:
Es geht geisterhaft zu, jeder Augenblick des Lebens will uns etwas sagen, aber wir wollen diese Geisterstimme nicht hören. Wir fürchten uns, wenn wir allein und stille sind, daß uns etwas in das Ohr geraunt werde, und so hassen wir die Stille und betäuben uns durch Geselligkeit.”
Friedrich Nietzsche, Werke I - Unzeitgemäße Betrachtungen)
In dem Augenblick aber, wo uns alles verloren scheint, erreicht uns zuweilen die Stimme, die uns retten kann; man hat an alle Pforten geklopft, die auf gar nichts führen, vor der einzigen aber, durch die man eintreten kann, und die man vergeblich hundert Jahre lang hätte suchen können, steht man, ohne es zu wissen, und sie tut sich auf."
(Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bde. 1-3 )
Woher die recht unterschiedlichen Namen für die innere Stimme?
Das liegt daran, dass sich dieses Phänomen dem Wissen entzieht und allein dem Glauben offenbart. Der Glaube verfügt aber über keine eindeutigen Namen bzw. Begriffe, sondern allein über vielfältige und vieldeutige Hinweise, Zeichen oder Bezeichnungen.
Offenbarungen des Glaubens lassen ganz persönliche Deutungen zu wie beispielsweise auch das Wort Gott. Deshalb glaubt Sokrates seiner inneren Stimme, als einer göttlichen Eingebung und nennt sie deshalb auch seinen “daimonion”, also seinen persönlichen Schutzgeist, der Teil des Ichs ist.
Diese innere Stimme warnt ihn in entscheidenden Augenblicken und hielt ihn von der Ausführung einer gefährlichen Absicht ab. Sokrates versteht das Daimonion, wie bereits gesagt, als eine Gegeninstanz zum Logos, die das erkennt, was der Vernunft verborgen bleibt, und vom Falschen abrät, jedoch zu nichts rät.
Seinen Daimonion schätzt Sokrates so hoch ein, dass er ihm auch gegen seine rationale Einsicht gehorcht. Da er es auch über die Götter stellt, wurde ihm sogar vorgeworfen, es als einen neuen Gott einführen zu wollen.”
Die innere Stimme offenbart der Fantasie, der Vernunft und dem Verstand, dass sie selbst letztlich nichts Anderes ist als ein sprechendes inneres Bild ihrer ureigenen daimonia.
Aus der inneren Stimme spricht nicht nur das Selbst des Ichs, sondern zugleich auch der Logos der Natur. Und was die innere Stimme nicht auszudrücken vermag, zeigt sie dem Dritten Auge in den inneren Bildern der Vorstellungskraft.

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Mystik


Mystik geht zurück auf das altgriechische μυστικός (mystikós) geheimnisvoll und nennt jene Methode des Entbergens, durch welche sich Göttliches offenbart. Mystik findet ihre Entsprechung im Mythos, der das Dasein der Menschen mit der Welt der Götter verknüpft. Im Zeitalter des Mythos werden natürliche Erscheinungen noch in Bildern und nicht etwa schon durch Begriffe dargestellt. So gelten Naturkatastrophen wie Trockenheiten oder Überschwemmungen als Folgen der den Menschen zürnenden Gaia, Göttin der Erde (Γαῖα oder Γῆ). Pythia, eine Priesterin des Orakels von Delphi schaut wie viele Jahrhunderte später Hildegard von Bingen Wahrheit offenbarende Bilder unter Ekstase.
Platon's Auffassung nach bedarf es solch hohen Kräfteaufwands nicht, denn vernunft-begabte Lebewesen verfügen von Natur aus über einen eigenen Wahrnehmungssinn, der Offenbarungen der Wahrheit zu vernehmen vermag.
Das Reaktivieren dieses Sinns ermöglicht ein Vertiefen des Wahrnehmens derart, dass metaphysische Ereignisse hervorscheinen. Als Philosophie nutzt Metaphysik diese Möglichkeit, indem Denken das Sein des Seienden denkt. Metaphysisches Denken zeigt eine Annäherung an das Wahrnehmen qua idein durch fortschreitendes Abstrahieren.
Demzufolge lassen sich durch vorsichtiges Abstrahieren Philosophieren und kontempla­tives Meditieren einander annähern.


Dienstag, 16. Dezember 2014

Schauen => Denken


Das, was uns wesentlich antreibt, entzieht sich dem Bewusstwerden und verbirgt sich vor dem Bewusstsein. Wesentliches bleibt für das Denken unerreichbar, selbst dann, wenn es das Wesen von etwas denkt.
Der Philosoph Platon aber erfährt intuitives Empfinden des Wesentlichen als Einbilden und erlebt dies als besondere Art und Weise inneren Sehens. Er nennt dieses besondere Empfinden ἰδεῖν (idein).
Iδεῖν bedeutet (auf)spüren, was einer Erscheinung wesentlich zugrunde liegt.
Hoch wahrscheinlich hat Platon diese Art und Weise inneren Wahr-nehmens bei seinem Lehrer Sokrates entdeckt. Iδεῖν geschieht nicht nur vor allem Denken, sondern begleitet dieses auch ständig als κρίνειν (krinein) (scheiden, unter-scheiden, trennen, aussondern, auswählen, entscheiden, urteilen, richten).
„Iδεῖν“ lässt sich vom Höhlengleichnis Platons her auch bestimmen als „schauen“. „Schauen“ darf nicht mit Denken gleich gesetzt werden. Platon könnte das Verhältnis zwischen Schauen und Denken in etwa so ausdrücken:
Erst schaut die Seele, dann denkt die Vernunft.
Die Entdeckung des Iδεῖν durch Sokrates und Platon ist in Vergessenheit geraten bzw. durch das Denken zurückgedrängt worden. Iδεῖν tritt im Verlauf Abendländischer Geschichte im Mittelarbeiter zwar noch einmal als Mystik hervor, aber das Schauen der Mystiker wird philosophisch nicht genutzt, sondern religiös vereinnahmt.




Montag, 15. Dezember 2014

Ruf >> Berufung


Bedürfnisse können sich durch die innere Stimme mitteilen. Wir lauschen dann Worten des Unbewussten, oder grübeln über Ideen, die es hervorscheinen lässt. Der Name für dieses Ereignis ist Berufung. Oft hindern Trägheit oder mangelnde Ausdauer daran, dem inneren Ruf zu folgen. Innere Zusprüche verhallen dann ungehört und entschwinden meist unwiederbringlich ins Nichts.
Die innere Stimme wird gewöhnlich durch das Gewissen, seltener durch den Verstand geweckt. Im Alltag meldet sie sich zu Wort, wenn unser Verhalten gegen eine Norm, eine Regel oder gar gegen ein Gesetz zu verstoßen droht. Durch den Verstand wird sie gewöhnlich durch eine Frage geweckt. Sie berät schöpferische Menschen, was sie schaffen können und diktiert Schriftstellern den Text, Komponisten, was sie komponieren oder Malern Motive, die sie ins Werk setzen sollen.

Künstlerisch, aber auch wissenschaftlich schaffende Menschen sind zumeist auf die innere Stimme angewiesen.

Als innerer Dialog spiegelt die innere Stimme Reflexionen des Empfindens durch Gefühle. Äußere Reize oder innere Impulse finden dabei ihren sprachlichen Ausdruck oder gestalten sich als Antizipationen oder auch Visionen.
Oft sind es spießbürgerliche Verklemmungen, Ängstlichkeiten oder ganz einfach Bequemlichkeiten, die der Wahl eines ganz persönlichen Weges entgegen stehen.

Aber einem inneren Ruf nicht zu folgen, das bedeutet oft, die eigene tragische Komödie zu inszenieren, denn Ausreden und Ausflüchte gestalten dann eine Biografie seelischer Trägheit und Mutlosigkeit.

Da die Seele lebenslang ihre gefühlte Aufgabe nicht aufgibt, werden Gründe fälschlicherweise in Erziehung, Schule und Ausbildung gesucht, um fadenscheinig zu erklären, warum man diese Herausforderung beim besten Willen nicht annehmen konnte.

So entgeht man mit selbstlügnerischem Jammern inneren Forderungen und tapst von einer Falle in die nächste.

Es ist aber nie zu früh und selten zu spät, der Mitwirkung bei einer selbstinszenierten Tragödie eine Absage zu erteilen, um sich endlich mit den noch verbliebenen Möglichkeiten auf den Weg zu machen.
Nicht selten korrigiert eine schwere Krankheit mutlos vage Orientierung radikal, und schenkt ungeahnte Kraft, noch verbliebene Zeit optimal zu nutzen.


Sonntag, 14. Dezember 2014

Wort vs. Bild

Intuition wird im Gehirn durch das limbische System ermöglicht. Eine Intuition wird durch Gefühl und Fantasie bewusst. Es sind gefühlte Bilder, die bewusst werden.

Es ist ein herbes Missverständnis von Religionen, Gott durch sprachliche Eingebungen des Geistes offenbaren zu wollen. Gott spricht nicht so wie die Religionen es meinen. Gott spricht allein in gefühlten Bildern.

Wer solche Bilder erfährt und sie versachlicht, verstösst radikal gegen das göttliche Wesen. Propheten sprechen von ihren Träumen, aber niemals von Gott. Gott wirkt durch die Tat, aber nicht durch das Wort. So erweist sich auch die Bibel als wohl gemeinte Sammlung individueller Vorstellungen.

Samstag, 13. Dezember 2014

Glauben Sie an Gott?

Diese durchaus immer noch gängige Frage erkundigt sich danach, wie sich jemand in seinem Leben aus- und einrichtet.

Da die meisten von uns religiös, also zum Glauben an Gott erzogen worden sind und entsprechende Vorstellungen übernommen haben, werden sie die Frage nach Gott in der Regel widerwillig beantworten. Sie zögern zwangsläufig, weil sie natürlicherweise zweifeln. Ihr Zweifeln ergibt sich aus dem Widerspruch zwischen religiöser und wissenschaftlicher Erziehung.

Dieser Widerspruch lässt sich nicht auflösen, solange Richtigkeit aufgrund wissenschaftlicher Beweise und Wahrheit aufgrund intuitiver Eingebungen gegeneinander ausgespielt werden.

Erfahrung (Empirie) und Gefühl (Intuition) sind wesentlich unterschiedene Arten und Weisen des Wahrnehmens. Sinnliches und seelisches bzw. inneres Wahrnehmen konstituieren wesentlich verschiedene Welten. Die Welt des Glaubens lässt sich nicht durch die Welt des Wissens verstehen.

Empirie und Intuition sind zwei voneinander getrennte Wahrnehmungssinne des Menschen. So ist es ein Ding der Unmöglichkeit, Gottes Existenz empirisch erfassen zu wollen.
Gottes Existenz verschliesst sich Erfahrungen, sondern offenbart sich allein Intuitionen.

Freitag, 12. Dezember 2014

Für wahr halten

Wir können allein das erleben, was durch Bewusstwerden zum Vorschein gelangt. Was wir auf diese Weise für uns zurechtgemacht erleben, halten wir für wahr. Die fantasievolle Verfremdung des Wirklichen bemerken wir gewöhnlich nicht. 

So verführen Triebe und/oder Bedürfnisse manche Menschen dazu, Geschichten von Engeln so zu fantasieren, dass sie diese selbst erleben. Ihre Fantasie verschafft ihnen beispielsweise einen Schutzengel als täglichen Begleiter. Intensiviert sich diese Fantasie hinreichend, dann wird dieser Schutz sogar als real empfunden und Erlebnisse werden dementsprechend interpretiert. Inneres Wahrnehmen bzw. Fantasieren verselbständigt sich zu einer Art religiösen Glaubens.